Robert Kraus hat rund 30 Jahre Berufserfahrung, ist zertifiziert und im eigenen Betrieb sowohl Mitarbeiter wie auch Leiter. Wir-Erlebnisse sind ihm Schlüssel für Würde im Umgang mit Lebenden und Toten.

Herr Kraus, wie würde sich das Verständnis von Menschenwürde verändern, wenn wir den würdevollen Abschied von Verstorbenen außer Acht ließen?

„Feuer ohne Feier, Urne anonym.“ Das ist tatsächlich ein Trend. Es ist wie in der „Unendlichen Geschichte“ von Michael Ende: Das Nichts breitet sich aus, die Leere ist immer mehr da. Ein Mensch lebt Jahrzehnte auf diesem Planeten – und weg. Kein Ort der Erinnerung. Die Bestattung: Just in time und weg und günstig.

Das übersieht total, dass es einen selber irgendwann auch trifft.

Die Sprüche auf den Sterbebildchen dagegen wie: „Erinnerungen, die unser Herz berühren, gehen niemals verloren“, finde ich viel aussagekräftiger. Man lebt ja in der Familie, im Freundeskreis, in einem riesigen Geflecht.

Wie viele Leute kommen dann auf eine Beerdigung? Wie viele Tränen werden vergossen? Was ist ehrliche Trauer? Vermisst mich jemand? Denkt an mich jemand? Das gehört für mich zur Würde dazu. Dieses Wir-Gefühl ist für mich eigentlich Würde. Wenn dieses Gemeinsame am Ende nicht mehr gemacht wird – Wo fängt’s an, wo hört’s auf?

Wenn mir Leute sagen, sie hätten das gerne für ihre Bestattung, sage ich ihnen: „Denken Sie auch so an ihre Angehörigen: Die brauchen den Abschied.“

In der „Unendlichen Geschichte“ ist die Rettung die Fantasie. Welche Ideen haben Sie für einen würdevollen Abschied?

Ich ermutige oft die Leute, die Kinder auch: „Malt nochmal ein Bild, legt es mit in den Sarg rein, gebt’s was mit.“ Um nochmal was Persönliches zu machen. Damit ein Toter nicht was Ekliges ist, sondern der geliebte Mensch bleibt. Man darf auch einem Toten noch die Hand reichen und was geben.

Gibt es ein eindrückliches Erlebnis von Würde, das Sie in Erinnerung haben?

Bei einer Abschiedsfeier hier bei uns im Haus hat jeder der Trauergäste eine Geschichte über die Verstorbene erzählt. Ein Enkelkind hat Gitarre gespielt. Weil die Oma gerne Ramazotti getrunken hat, hat man damit auf sie angestoßen. Das war sehr würdevoll. Weil es ehrlich war. Die Verstorbene war nochmal drin im normalen Dasein. Es gab Tränen der Trauer und Tränen des Glücks. Das gehört zusammen. Wenn man eines wegdrückt, kann das andere nicht richtig gelebt werden.

Spontan bitte: Eine Geste von Würde, die in der Arbeit als Bestatter zum Ausdruck kommt.

Natürlich! Eine Umarmung.

 


Das Interview führte mit Bestattungsunternehmer Robert Kraus Pfarrer G. Last