Gerhard Last im Interview mit Dr. Christine Weindel-Wörl

 „Von allen guten Geistern … verlassen.“ Christine, welche Erfahrungen blitzen da in deinen Gedanken auf?

Wenn ich an gute Geister denke, kommt mir zuerst der Heilige Geist in den Sinn. Manchmal haben wir wohl das Gefühl, von ihm verlassen zu sein, das kenne ich auch. Dennoch denke ich, dass er uns nie verlässt und wir in dem Moment, in dem wir uns verlassen fühlen, ihn vermutlich nur nicht spüren können. Und das mag dann vielleicht daran liegen, dass uns Themen zu sehr überrollen.

Wenn die guten Geister fehlen, ist guter Rat teuer. Welchen Rat würdest du für verfahrene Situationen empfehlen?

Da gibt es viele Möglichkeiten. Spontan denke ich an das Innehalten. Sich selbst in Ruhe wahrnehmen und innere Stimmen aktivieren: Was sagt mein Kopf? Was mein Bauch? Was mein Herz? Wenn ich mir die Antworten aufschreibe, habe ich die Chance quasi „von oben“ auf das Thema zu schauen und aus dieser neuen Perspektive neue Wege zu finden. Sehr hilfreich können persönliche Ressourcen sein: ein Gespräch mit Vertrauten, ein Spaziergang, um Energien zu erneuern, etc. Bei zu verfahrenen Situationen hilft es sicher, kurzzeitig professionelle Beratung hinzuziehen.

Du bietest systemische Beratung an. Was macht diesen Ansatz aus und besonders?

Die Art, wie auf belastende Themen zugegangen wird. Wir Systemiker sehen den Menschen immer auch als Teil eines Systems: Familie, Arbeit usw. Wir versuchen herauszufinden, in welchem Kontext das Symptom entstanden ist, anstatt das Symptom allein zu fokussieren. Mit dieser Sichtweise kann der Ursprung des belastenden Themas erkannt und an neuen Denk- und Verhaltensmustern gearbeitet werden, sodass wieder mehr Zufriedenheit und Selbstwirksamkeit in den Alltag fließen können.

Ich erlebe an mir selbst und in meinen Arbeitswelten seit einiger Zeit einen belastenden Mix aus Eile und Stress. Blicke ich in die Nachrichten aus aller Welt, will ich aber nicht jammern. Ich stresse mich dann, mich nicht zu stressen. Ich denke: Ich muss doch glücklich sein! Haben mich in so einem Moment alle guten Geister verlassen?

Ich finde es ungemein wichtig, in Zeiten, in denen so schlimme Dinge um uns passieren, uns dennoch bewusst zu machen, dass es uns hier im Land sehr gut geht. Wenn wir das auch bewusst spüren, können wir versuchen, gute Energien zu den belasteten Menschen zu senden. Das mag etwas esoterisch klingen, aber ist manchmal das Einzige, was wir tun können.


Dr. Christine Weindel-Wörl lebt mit Ihrer Familie in Dachau. Sie begleitet als systemische Beraterin und Supervisorin Menschen in unterschiedlichen Lebenslagen. In der Friedenskirche ist sie aktuell als stellvertretende Vertrauensfrau des Kirchenvorstandes und als Trauer- und Krankenhausseelsorgerin.