Liebe Leserin, lieber Leser,

„Im Namen Gottes, des Vaters und des Sohnes und der Heiligen Geistkraft.“ So lautet das biblische Votum, das ich zu Beginn eines jeden Gottesdienstes spreche.

Für manche klingt das ungewohnt oder gar falsch.  Auch für mich war es das zunächst. Ich habe mir Gott sehr lange in ausschließlich männlicher Gestalt vorgestellt.  Zu ihm gebetet, zu seinem Sohn Jesus oder dem Heiligen Geist – sogar den Geist habe ich durch und durch männlich definiert und nicht – was ja durchaus ebenso denkbar wäre – als ein neutrales oder geschlechtsloses Wesen.

Geändert hat sich das erst als ich dieses Fresko aus dem 12. Jh. gesehen habe. Erkennen Sie, wen Vater und Sohn da aus ihrer Mitte hervorgehen lassen?
Eine weibliche Heilige Geistin!

In der Bibel finden sich Spuren dazu: Ganz am Anfang schwebt Gottes Geist über dem Wasser, so heißt es im Schöpfungsbericht. Dort steht die „RUACH“. Das kann mit Hauch, Wind, Atem, Schöpferkraft übersetzt werden. Sie ist der Hauch, der aus Gottes Mund hervorgeht und die Erde wie Nebel bedeckt. Sie ist der Atem, der alles belebt.

Sie ist die Kraft, die uns durchdringt und die alles möglich macht. Sie wurde sich sogar als Gottes Gefährtin vorgestellt, die mit ihm auf dem Thron sitzt.

Leider entmachtete das antike Patriarchat diese Seite Gottes, noch bevor das Neue Testament entstand. Frauen wurden als minderwertige Geschöpfe angesehen. Wie sollte da ausgerechnet Gottvater eine Gefährtin brauchen?

Natürlich ist die ganze Diskussion müßig. Gott ist weder nur Mann noch Frau und die Trinität mehr als eine Kleinfamilie. Es handelt sich hierbei um Bilder, mit denen wir Menschen versuchen zu beschreiben, was eigentlich ganz und gar unbeschreiblich ist. Und doch: Bilder haben Macht! Denn sie schaffen wie Sprache und Worte Realität.

Die Vorstellung von der Heiligen Geistkraft als eine weibliche Seite Gottes kann also von existentieller Bedeutung sein. Denn Gott schuf die Menschen nach seinem/ihrem Bilde männlich und weiblich. Dennoch wird von Gott fast nur in männlichen Bildern gesprochen: Vater, Sohn, Heiliger Geist. Hirte, Herr, König. Wo sind die anderen Bezeichnungen für Gott, die das (menschliche!) Gottesbild vollständiger werden lassen? Wo ist Gott, die uns liebt wie eine Mutter, die Leben schafft, uns ermutigt und inspiriert? Warum Gott nicht Hirtin, Herrin, Königin nennen? Warum den Heiligen Geist nicht einfach weiblich malen?

Das Fresko verdeutlicht diesen Gedanken auf einzigartige Weise und macht ihn sichtbar!

Ihre Pfarrerin Lisa Bühler