Liebe Leserinnen und Leser,
der November ist kein leichter Monat.
Es wird Herbst, der Winter naht, draußen ist es trist, neblig, stürmisch, kalt. Das Wetter spüren viele in den Knochen oder leiden unter dem „Winterblues“. Der November mit seinen Gedenktagen Allerheiligen, Allerseelen, Buß- und Bettag, Volkstrauertag, Totensonntag, Tag des Gedenkens an die Novemberpogrome … schlägt vielen aufs Gemüt.
Und doch ist er nicht wegzudenken dieser Gedenk-Monat. Viele schmücken die Gräber der Lieben und gedenken bei der Gräbersegnung am 1. November oder auch still für sich der Verstorbenen. Auch die Erinnerung an die Novemberpogro-me und die Opfer der Shoah, die Erinnerung an Millionen Ermordete und Gefallene der Weltkriege ist wichtig in unserer nationalen Erinnerungskultur.
Der November ist kein leichter Monat, schon gar kein heiterer.
Er konfrontiert uns mit der „dunklen Seite“ des Lebens: mit Vergänglichkeit und Trauer, mit Schuld und Versagen, mit Leid und Tod. Und so wie der November (wörtlich: der 11. Monat des Jahres) aus dem Kalender nicht wegzudenken ist, so auch nicht die Themen, mit denen uns dieser Monat konfrontiert. Man würde wohl gerne einen Bogen um diesen tristen Monat machen, aber dann wäre das Jahr nicht vollständig.
Ebenso kann unser Leben nicht vollständig sein, wenn wir die Schattenseiten des Lebens ausblenden. Darum sind auch diese Gedenktage wichtig: dass wir über schweres in unserem Leben nachdenken; dass wir uns dem stellen; dass Menschen – seien es unsere Lieben oder die vielen Opfer von Gewalt und Kriegen – nicht einfach vergessen werden.
Gedenken, sich Erinnern an das Schöne, aber auch an das Schwere, ist wichtig. Wir feiern Geburtstage und begehen Todestage. Dabei geht es nicht um die bloße Rückschau, sondern darum, etwas zu bewahren.
Oft frage ich Angehörige im Trauergespräch, was sie von einem Verstorbenen „bewahren“. Die Frage irritiert nicht selten, aber sie will den Blick darauf lenken, dass man einen Verstorbenen nicht nur verliert, sondern dass man auch vieles von ihm und ihr bewahrt, weiterträgt. Nicht nur das Erbe, sondern manch schöne Erinnerung, vielleicht manche Charaktereigenschaft oder auch Prinzipien, eine bestimmte Lebenseinstellung. Sich erinnern und Gedenken heißt dann auch, etwas davon weitertragen.
Gedenken ist nicht nur Rückschau, sondern auch Besinnung und Aufbruch, ist nicht nur Erinnerung, sondern auch vorwärtsgewandt. Sonst bleibt es hohl, ohne Sinn.
Wir wollen nicht nur die Asche bewahren, sondern das Feuer weitertragen. Feuer leuchtet. Feuer wärmt. Gerade an grauen Novembertagen tut das gut.
Ihre Pfarrerin Ulrike Markert