Mit den Wurzeln unserer Ahnen verbinden uns am Ende des Jahreskreises verschiedene kirchliche Feste: Allerheiligen, Allerseelen, Toten- oder Ewigkeitssonntag. Allerheiligen, das hohe Fest der katholischen Kirche, das auch immer mehr Protestanten mit feiern, erinnert uns, dass wir Menschen als Ideale, Vorbilder, Orientierungspunkte brauchen. Das ist nicht nur für Jugendliche entscheidend in der Persönlichkeitsentwicklung. Dabei spielt es eigentlich keine Rolle, ob dieser Mensch nun durch das Lehramt der

katholischen Kirche „heilig gesprochen“ wurde oder nicht. „Vorbilder des Glaubens“ sind Heilige, sagte Martin Luther.

Und in unserem apostolisches Glaubensbekenntnis heißt es: „Ich glaube an die Gemeinschaft der Heiligen“ – damit sind alle Gläubigen gemeint und sagt: Ich stehe mit meinem Leben und Glauben in der Welt nicht alleine da. Ich bin ein Teil einer großen Gemeinschaft, die Generationen, Jahrhunderte und Jahrtausende umspannt. In diese große Gemeinschaft bin ich eingebettet. Sie umgreift Raum und Zeit. Sie überdauert mein Leben. So bleibe ich auch über den Tod hinaus ein Teil dieser Gemeinschaft.

Das ist ein wichtiger Aspekt des christlichen Toten-Gedenkens in unserem Kulturkreis.

Wir gedenken der Verstorbenen und verbinden uns mit unseren Wurzeln. Denn kein Mensch lebt aus sich selbst heraus. Wir haben Wurzeln, wie jeder Baum, jede Pflanze.

Diese kulturelle und persönliche Rückverbindung (lat. „re-ligio“; Religion!) ist wichtig. Das lehrte der Psychoanalytiker C. G. Jung und heute verschiedene Richtungen der Familientherapie: unsere Vorfahren und Ahnen, unsere Verwurzelung innerhalb eines Familiengefüges prägen unser Werden und Wachsen, unser Leben und Fühlen.

In asiatischen oder afrikanischen Kulturen ist dieses Denken stark verankert.

Das merkte ich zum ersten Mal als ich eine aus Taiwan stammende Freundin besuchte: In der Diele war ein kleiner „Hausaltar“ aufgebaut mit Räucherwerk und Kerzen. Wenn sie die entzündete, zollte die junge Frau ihren Ahnen Respekt und Dankbarkeit. Sie verband sich mit allen, die vor ihr waren und erinnerte sich daran, dass sie aus ihren Wurzeln lebte. Ohne Wurzeln kann keine Pflanze wachsen. Sie verkümmert, stirbt ab. Für eine junge Frau, die auf einem anderen Kontinent lebt, ist es vielleicht besonders wichtig, sich mit den eigenen Wurzeln zu verbinden.

Für unsere Entwicklung durch die Jahre hindurch ist es sicher nicht weniger wichtig, uns immer wieder mit unseren Wurzeln, mit unserem Gewordensein zu verbinden – und dann unseren eigenen Weg zu gehen.