Sie können sich diese Andacht auch einfach als Audio anhören:

 

Die Tage in meiner Familie haben sich verändert.

Es ist nicht leicht den Stechschritt abzulegen, mit dem wir für gewöhnlich durch unser Leben hasten. Jede Minute ist genau getaktet, neben dem Beruf und der Schule gibt es da diverse Hobbies, Verabredungen, Arzttermine oder anderes… jede Familie kennt es… der immerwährende Blick auf die Uhr, das hektische in die Hände klatschen, das ewige hinterher Rennen hinter der Zeit. Kennen Sie das auch?

All das fällt nun weg.

Während wir am Vormittag noch an den Strukturen von Schule und homeoffice festhalten, bietet der Nachmittag Raum für lange Spaziergänge und ausführliche Gespräche. Dabei fällt uns auf, dass der Himmel blauer ist in diesen Tagen und die Ruhe nicht durch das bekannte Flugzeugdröhnen gestört wird. Auch die Züge fahren seltener. Wir treffen kaum einen Menschen und nur ganz wenige Autos verirren sich vereinzelt auf die Straßen. Durch die Ruhe hindurch klopft nur ein kleiner Specht und zwitschern muntere Vögel. In der Ferne hören wir aus den Gärten Kinderlachen und das geschäftige Klopfen der Heimwerker.

Wir finden Zeit all die lästigen kleinen Wehwehchen unseres Hauses anzugehen: der Fleck an der Wand, das kaputte Regal, die nicht funktionierende Lampe. Auf einmal fällt uns auf, wie viel liegen geblieben ist in… ja, im ganz normalen Leben. Der Alltag hat immer zu wenige Stunden. Wie oft falle ich abends müde ins Bett und nehme mir ganz fest vor, mir all die Dinge zu merken, die ich meiner Familie unbedingt noch erzählen wollte, aber jetzt zu müde bin. Wie oft schmeiße ich den Kater vom Schoß, weil ich jetzt leider nicht sitzen bleiben kann, sondern etwas machen muss.

All das fällt nun weg.

„Meine Seele ist stille zu Gott, der mir hilft.“ Psalm 62,2

Es dauert ein bisschen, bis wir uns an die neue Art zu gehen gewöhnen.

 Manch einer trägt viele Sorgen in dieser Zeit. Und für manchen kommt da eine große Welle der Ungewissheit  und die Angst, sich von ihr mit reißen zu lassen. Keiner weiß, wie lange dieser Zustand anhält, wie lange wir Gehälter bezahlt bekommen, wann wir wieder ins normale Leben zurückkehren und wie wird unser Leben sein, nach Corona?

Doch jetzt und heute möchte ich das Blau des Himmels und das Zwitschern der Vögel als Lobgesang der Schöpfung ganz intensiv in mir aufnehmen. Heute möchte ich die Stille annehmen, um alles los zu lassen, was mich sorgt und quält und mich frei machen für Gottes große Güte. Dieser Stillstand, dieses Rausfallen aus dem Normalzustand, diese Unsicherheit, all das ist ein Geschenk. Ein Geschenk für jeden einzelnen von uns, in dem wir inne halten können und atmen. Ganz bewusst atmen. Einatmen. Das Leben ist ein Geschenk. Ausatmen. Amen.

Bleiben Sie gesund und behütet in diesen Tagen.

 

Cécile Koch, Katechetin ELKB