Sie können sich diese Andacht auch einfach als Audio anhören:

    

    

Der Herr ist mein Hirte

Der Herr ist mein Hirte,

mir wird nichts mangeln.

er weidet mich auf einer grünen Aue und

führet mich zum frischen Wasser.

Er erquicket meine Seele.

Er führet mich auf rechter Straße,

um seines Namens Willen.

Und ob ich schon wanderte im finsteren Tal

fürchte ich kein Unglück;

denn du bist bei mir,

dein Stecken und Stab trösten mich.

Du bereitest vor mir einen Tisch

im Angesicht meiner Feinde.

Du salbtest mein Haupt mit Öl

und schenkest mir voll ein.

Gutes und Barmherzigkeit werden mir folgen

mein Leben lang

und ich werde bleiben

im Hause des Herrn

immerdar.

Amen

-Psalm 23-

 

Bevor die Schulen geschlossen worden, habe ich mit meinen dritten Klassen den Psalm 23 durch genommen. Eine meiner liebsten Unterrichtseinheiten. Jedes Jahr aufs Neue bin ich begeistert, wenn die Schülerinnen und Schüler voll und ganz in  den Text eintauchen und den bildstarken Worten Gestalt verleihen. Richtige Kunstwerke entstehen da. Da gibt es hüpfende Schafe mit stark klopfendem Herzen, die ganz erquickt sind. Da gibt es meterhohe Berge und schwarze dunkle Täler. In saftigen Grün leuchtet das Gras der grünen Aue und golden glänzt der Hirtenstab.

Diese tröstenden, Mut machenden Worte des Psalmes sind ein Schatz fürs Leben. Mit seinen Bildern und seiner Melodie ist er einprägsam und bleibt.

Worte machen Bilder. Worte sind stark und Worte haben Macht.

 

Als ich am Donnerstag die Pressekonferenz des Bayerischen Staatsministeriums verfolgt habe, lief parallel die Kommentarspalte heiß. Da schrieben Menschen ungefiltert und unüberlegt ihre ersten Gedanken und Reaktionen auf die Worte der entsprechenden Ministerinnen und Minister. Was ein Glück, dass wir in einem Land leben, in dem jeder seine Meinung frei äußern darf. Doch: Worte machen Bilder und Worte sind stark. Da fragte jemand, wann man endlich wieder Schuhe kaufen könne und wann Möbelhäuser wieder öffnen, ein junger Hörer wollte endlich seinen Führerschein fertig machen und eine weitere Person schrieb, dass sie endlich wieder schwimmen gehen möchte. Da schrieb jemand provokant: „Gottesdienste braucht kein Mensch, macht die Biergärten wieder auf“. Andere beklagten ihre eingeschränkten Freiheitsrechte und dann las ich in verschiedenen Formen immer wieder den Satz: „Sollen doch die zu Hause bleiben, die zur Risikogruppe zählen“. Ufff… was für eine Macht, was für eine Kraft in den Worten. Ganz viel „ich, ich, ich“! In Bildern betrachtet, sah ich auf einmal  Mauern vor meinem inneren Auge, tiefe Gräben aus Angst, Wut und Enttäuschung, das V in Covid wie einen Spalt durch das Land ziehen.

Es ist schwer, Verzicht zu üben. Es ist schwer, die eigenen Pläne neu zu gestalten, aufzuheben, um zu werfen. Ich weiß das, genauso wie alle anderen in den letzten Wochen das erfahren mussten.

Auch ich wollte die Taufe meines Patenkindes feiern, meine eigene kirchliche Hochzeit begehen, auf Konzerte gehen in einen Wellnesurlaub fahren, habe Flitterwochen geplant und weiß manchmal nicht, wie ich homeoffice, homeschooling und home-aufeinander-hocken managen soll. Aber all das waren doch nur Pläne, Ereignisse, Momente, die ich gerne so gehabt hätte und die nur aufgeschoben, aber nicht aufgehoben sind.

Es ist ein Privileg in einem Land zu leben, in dem so human Schutzmaßnahmen für die gesamte Bevölkerung getroffen werden können, es ist ein Geschenk, eine Wirtschaft zu haben, die in der Lage ist einiges abzufangen und es ist ein Glück, dass es so viele Menschen gibt, die Bereitwillig die Ärmel hoch krempeln und für andere da sind. Das „Ich“ ist  kleiner geworden in den letzten Wochen und das „Wir“ ist größer geworden. Es geht nicht mehr um meine Pläne und um das, was ich mir für mich und mein Leben vorstelle. Es geht um uns, um unsere Gesellschaft, um unsere Wirtschaft, um unsere Umwelt, um unsere Zukunft. Wir alle sind Teil einer starken Gemeinschaft, die tragen kann, wer nicht alleine zu gehen vermag und halten kann, wer zu fallen droht. Wir können einander beistehen im dunklen Tal, in der Zeit der Not und des Frustes, in Zeiten der Enthaltsamkeit und des Verzichtes, um dann eines Tages wieder gemeinsam an dem liebevoll bereiteten Tisch zu sitzen, in Anbetracht bekämpfter Feinde. Wenn wir gemeinsam diese Zeit meistern, zusammen halten, barmherzig sind, das Ich kleiner werden lassen, dann werden wir wahrhaftig spüren, dass es uns an nichts mangelt und wir Gutes und Barmherzigkeit mit uns in diese, unsere Welt bringen.

 

Bleiben Sie gesund und zuversichtlich und seien Sie sich bewusst, dass Sie behütet sind!

 

Cécile Koch, Katechetin ELKB