Im Namen des Vaters und des Sohnes und des Heiligen Geistes. Amen.
Ich grüße Sie in Zeiten des Rückzugs durch den Corono-Virus und möchte Ihnen einige Gedanken auf dem Weg mitgeben, die uns in ganz andere Bereiche führen – oder vielleicht doch nicht.
Gedanken zu Psalm 103, 2+5
Lobe den Herren, meine Seele,
und vergiss nicht, was er dir Gutes getan hat:
Der deinen Mund fröhlich macht,
und du wieder jung wirst wie ein Adler.

Der Adler am Himmel –
Wenn er abhebt und seine Flügel ausbreitet, dann fällt alles Schwere von ihm ab.
Wenn er seine Schwingen entfaltet, ist er frei von allem, was gefangen nimmt und behindert.
Wenn wir ihn über den Himmel schweben sehen, können wir seine Leichtigkeit fast mitempfinden.
Von den Winden emporgehoben kommt er dem Himmel nahe, der auch uns versprochen ist.
Schön wäre es, sich wie ein Adler über den Horizont hinaustragen zu lassen, die eigene Kraft zu spüren und neue Möglichkeiten zu entdecken.
Schön aber auch, sich wie der Adler in den Wind fallen lassen zu können und sich doch getragen zu wissen, von einem, der mich hält.
Wie ein Adler dem Himmel gehören und nicht nur der Erde und dem Schweren verhaftet bleiben.
Psalm 103,2+5
Lobe den Herren, meine Seele,
und vergiss nicht, was er dir Gutes getan hat:
Der deinen Mund fröhlich macht,
und du wieder jung wirst wie ein Adler.
Liebe Leserinnen und Leser, liebe Mitchristen,
vor Jahren war ich für ein Wochenende in Riedenburg. Dort gibt es eine Falkenburg und ich habe mich durch die Flugkünste eines Weißkopfseeadlers begeistern lassen.
Wenn er sich mit seinen mächtigen Schwingen in den Himmel erhebt, staunen die Zuschauer. Voll Kraft und Anmut steigt der Adler auf und kreist dann minutenlang am Himmel, erhaben, der König der Lüfte.
Wie der Falkner damals erzählte, konnte dieser Weißkopfadler zuerst nicht fliegen. Er war in Gefangenschaft geboren worden und hatte das Fliegen nicht gelernt. Seine Flügel waren kraftlos und unfähig ihn durch die Lüfte zu tragen.
Es hat viel Geduld gebraucht, damit dieser Adler fliegen lernte. Aber mit der Zeit lernte er seine Flügel auszubreiten und zu bewegen.
Als er zum ersten Mal flog, waren es nur wenige Meter. Doch mit der Zeit lernte er der Kraft seiner Flügel zu trauen und sich von der Luft tragen zu lassen. Bald flog er weiter und weiter. Und eines Tages konnte er sich mit der Kraft seiner Schwingen erheben und bis in die Spitzen der Bäume fliegen. Dort im Wipfel eines hochgewachsenen Baumes ließ er seinen Blick in die Weite schweifen.
In dieser Höhe, mit der Weite vor sich, streckte der Adler seine Flügel und begann endlich zu gleiten, sich fallen zu lassen. Er lernte: er kann sich von der Luft tragen lassen und so wurde er von den Winden in die Weite geführt.
So wie diesem Adler ergeht es manchmal auch uns. Vielleicht jetzt, in Zeiten des Corona-Virus und der aufgezwungenen Isolation, geht es uns sogar ganz besonders so. So vieles ist in Frage gestellt. Wie wird es weitergehen, wenn die Krise vorbei ist? Wie wird sich die Welt verändern, wie unsere Gesellschaft, wie unser Zusammenleben? Werden wir uns auch in Zukunft auf das, was uns bisher getragen hat verlassen können? Können wir unseren Blick wieder ins Weite, in die Zukunft richten – unbesorgt?
Noch wissen wir es nicht.
Aber diese Krise könnte uns auch sagen, dass es Zeit ist für so manchen Neuanfang. Manches, das uns bisher getragen hat, wird vielleicht tatsächlich nicht mehr tragfähig sein.
Der eine oder die andere von Ihnen denken vielleicht über diese Fragen nach: Wird in Kürze alles wieder beim Alten sein? Wollen wir das? Was wollen wir selbst ändern? Was werden wir ändern müssen? Zu manchem Neuanfang werden uns vielleicht die Umstände und die Folgen zwingen. Manches wird vielleicht nicht einfach sein, aber es könnte gut sein, Neuanfänge zu wagen.
Wenn das Neue gelingt, wenn sich der Glaube bewährt, dann ist das befreiend. Wir können die Erfahrung machen, dass wir gehalten werden von Gott, der uns immer von neuem aufbrechen lässt. Gehalten von Gott, der uns neue Wege zeigen will – auch, wenn es manchmal nicht einfach ist, sich darauf zu verlassen und zu vertrauen.
Die auf Gott harren, kriegen neue Kraft, dass sie auffahren mit Flügeln wie Adler, dass sie laufen und nicht matt werden, dass sie wandeln und nicht müde werden. Jes. 40,31
Der Adler in Riedenburg erlebte am Anfang nur wenige Minuten lang, wie er in der Luft gehalten und von den Winden getragen wurde. So ließ er sich schon bald erschöpft nieder. Der Falkner musste ihn finden und den Berg wieder hinauf tragen. Aber dennoch: wieder und wieder wagte er sich hinaus, ließ sich auf dem Wind hinab gleiten, musste gefunden und den Berg wieder hinauf getragen werden.
So wie dem Adler mag es uns manches Mal auch gehen. Die Kräfte schwinden mitten im Flug, wenn wir Neues wagen wollen. Dann ist es gut, wenn wir auf den Gott vertrauen können, der uns zurückträgt und uns aus dem Tal befreit, in das wir unvermutet geraten sind.
Gott beschenkt uns mit neuer Kraft und neuem Leben. Er beschenkt uns mit Geduld, mit Freude an jedem neuen Tag, mit der Kraft zu lächeln und der Kraft zu vertrauen.
Auch das ist gemeint, wenn wir lesen, dass wir wieder auffahren werden wie ein Adler.
Es heißt dabei: auf Gott harren, also warten und beharrlich sein. Beharrlich wie der Adler, der nicht aufhörte, seine Schwingen auszubreiten und immer wieder zu fliegen. Jeden Tag ein Stückchen weiter.
Da, wo wir beharrlich Gott vertrauen, da werden wir erkennen, wie sich diese Worte erfüllen:
Die auf Gott harren, kriegen neue Kraft, dass sie auffahren mit Flügeln wie Adler, dass sie laufen und nicht matt werden, dass sie wandeln und nicht müde werden.
Gebet:
Guter, heiliger Gott,
wir bringen dir unsere Gedanken – all das, was uns in diesen Tagen bewegt:
sei bei uns, wenn wir uns allein fühlen, auf uns selbst zurück geworfen,
sei aber auch bei uns, wenn es uns zu eng wird in der Wohnung mit der Familie und wenn wir zu wenig Raum für uns selbst haben,
sei bei uns, wenn wir uns nach der Freiheit des Adlers sehnen, aber ausharren müssen und warten,
sei bei uns, wenn wir uns Sorgen machen, wie unsere Gesundheit oder die der Menschen um uns herum das alles überstehen wird,
sei bei uns, wenn wir uns krank und verlassen fühlen,
sei bei uns, wenn wir uns Gedanken darüber machen, wie es mit uns weiter gehen soll und mit unserer Welt,
und sei bei uns, wenn wir nach neuen Wegen suchen, die nach der Krise in eine bessere Welt führen,
Guter, heiliger Gott,
wir harren, wir warten auf dich und wir wollen dir vertrauen.
Amen.
Vaterunser im Himmel,
geheiligt werde dein Name,
dein Reich komme,
dein Wille geschehe,
wie im Himmel, so auf Erden.
Unser tägliches Brot gib uns heute
und vergib uns unsere Schuld,
wie auch wir vergeben unsern Schuldigern.
Und führe uns nicht in Versuchung,
sondern erlöse uns von dem Bösen.
Denn dein ist das Reich und die Kraft
und die Herrlichkeit, in Ewigkeit. Amen.
Segen:
Der Herr segne euch und behüte euch. Der Herr lasse sein Angesicht leuchten über euch und sei euch gnädig. Der Herr erhebe sein Angesicht auf euch und gebe euch + Frieden.
Lied: 395 Vertraut den neuen Wegen
Karin Kittlaus, Pfarrerin i.R.